Delegation des VIA REGIA Begegnungsraum Landesverband Sachsen e.V. auf Studienreise in Polen und in der Ukraine

Reise in den Schmelztiegel der Kulturen – Lemberg (Lviv) in der Ukraine

Die deutsch-polnischen Gesellschaft Sachsen e.V. war gemeinsam mit dem VIA REGIA Begegnungsraum Landesverband Sachsen e.V. vom 11.-16. Oktober 2019 auf einer Studienreise nach Osteuropa in die ukrainische Stadt Lemberg (Lviv) unterwegs.

Die Fahrt per Bus führte über die A4 an den Sudeten, den Beskiden und den Karpaten mit der Hohen Tatra vorbei. Es begegneten uns polnische Städte, wie Breslau (Wroctaw), Gleiwitz (Gliwice), Kattowitz (Katowice) und Krakau(Kraköw). Sie alle liegen an der VIA REGIA, der historischen Handelsstraße und heutigen Kulturroute des Europarates.

Lviv liegt auf der Europäischen Hauptwasserscheide, ein Hügel in der Stadt bildet die Grenze. Südlich davon fließen die Flüsse ins Schwarze Meer, nördlich davon in die Ostsee. Der Fluss Poltwa ist kanalisiert und durchfließt die Stadt unterirdisch.

Die historische Altstadt von Lviv, die seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, offenbarte uns ihre Baustile. Über Barock, Renaissance, Jugendstil, Klassizismus, zeigte sich ein multikulturelles Zusammenspiel verschiedenster Kulturen. In historischen Parkanlagen, museal geschichtsträchtigen Friedhöfen, ergänzt durch 43 Museen, konnten wir die Geschichte dieser Welt- und Handelsstadt erahnen.

Lviv’s Vorteil ist, dass die historische Bausubstanz von den Zerstörungen durch Kriege weitgehend verschont blieb“ so Olha Sydor. Die Stadt wurde von dem ukrainischen König Danylo Halyzkyj gegründet. Menschen des ukrainisch-orthodoxen, des armenisch orthodoxen, russisch orthodoxen, des Judentums sowie römisch
katholischen Glaubens und weiterer lebten über die Jahrhunderte in dieser Stadt, die von einem Wechselspiel der Mächte der Völker und Kulturen geprägt ist.

Bereits im 14. Jahrhundert entwickelte sich Lemberg, auch durch die Einführung des Stapelrechts,zu einer bedeutenden osteuropäischen Handelsstadt.Über 150 Jahre bis zum ersten Weltkrieg wurde Galizien von der der Habsburger Monarchie, von Österreich -Ungarn, regiert. Diese Habsburger Zeit war für die Entwicklung der Stadt sehr wichtig. Ein Großteil administrativer architektonisch Bauten, wie das Rathaus und kultureller Bauten wie das Opernhaus wurden in dieser Zeit geschaffen und sind an das Habsburger Vorbild angelehnt.

Ein Besuch an der katholischen privaten Universität Lviv und Gespräche mit Prof. Oleh Turih, dem Prorektor der Universität, gab Einblick in die Bevölkerungsentwicklungen dieser Stadt.

Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte Lemberg zu Polen. Hier lebten 350.000 Einwohner, davon fast die Hälfte Polen. Ein Drittel etwa bis 30 Prozent waren Juden in der Stadt.15 Prozent Ukrainer und10 Prozent Russen sowie weitere Minderheiten wie Armenier, Deutsche, Tschechen, Österreicher. Durch den nationalsozialistischen Terror in der Zeit der deutschen Besatzung wurde die jüdische Bevölkerung Galiziens fast vollständig vernichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der Verschiebung der Grenzen in Europa wurde Lemberg ukrainisch und fiel an die Sowjetunion. „Auch die Zusammensetzung der Einwohner hat sich nach dem Kriegende wesentlich verändert“ erklärte Professor Oleh Turih.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten in Lemberg noch 60 000 Menschen. Es setzte eine riesige Vertreibungswelle ein, in deren Folge ein Großteil der polnischen  Bevölkerung nach Niederschlesien umgesiedelt wurde. Weiterhin kamenMenschen aus den umgebenden kleineren Städten oder wurden aus dem Osten der Ukraine hierher geschickt.Jetzt sind in der Stadt ca. 730 000 Einwohner, der Anteil der Ukrainer überwiegt. Weiterhin leben hier Polen, Russen, Juden, Armenier, Deutsche. Seit 1991 Jahren ist die Ukraine unabhängig und Lemberg das Zentrum in der Westukraine.

Eine weitere Exkursion führte uns in das griechisch-katholische Kloster Krexiv in der Nähe von Lemberg, welches von 60 Novizinnen bewirtschaftet wurde. Weiter ging es in die Renaissance Stadt Schowkwa. Der polnische Name der Stadt Zölkiew bezieht sich auf den polnischen Adligen Stanistaw Zölkiewski. Dieser baute 1594 in einer
bereits seit dem 14. Jahrhundert bestehenden Siedlung eine Befestigungsanlage und ein Schloss. Der Ort wurde in nur wenigen Jahren vergrößert und umgestaltet. Im 17. Jahrhundert war die Stadt eine Residenz des polnischen Königs Jan Ill Sobieski .Zar Peter I. hielt sich über Monate in der Stadt auf, hier befand sich 1706/07 zeitweilig das Oberkommando der russischen Armee. In der Stadt existierte eine jüdische Gemeinde bis zum Holocaust.

In unserer Freizeit konnten wir das bunte pralle Leben in und um den Rynok in Lemberg erkunden. Viele kleine Kaffees im historischen Flair luden zum Verweilen ein. Mit vielen interessanten Eindrücken über die Entwicklung dieser europäischen Handelsachse und ihrem kulturellen und ethnischen Zentrum Lemberg verlassen wir diese osteuropäische Region. Für die Zukunft wollen die deutsch-polnische Gesellschaft und der VIA REGIA Begegnungsraum Landesverband Sachsen e.V. weiterhin kooperieren.

18.10.2019 Martina Brandt-Kretzschmar